„Spiel mir das Lied vom Rössl“ Die unglaubliche Premierengeschichte des THEATER SOMMER KLAGENFURT 2011

Die ganze Welt spricht von Storytelling. Gehen wir doch einen Schritt weiter und plaudern „aus dem Nähkästchen“: Lest und staunt, welche Hiobsbotschaft uns am Tag vor der Premiere vom „Weißen Rössl am Wörthersee“ ereilt hat und wie Vieles anders wurde…

Es war ein wunderschöner 21. Juni 2011 – der Tag der Generalprobe. Die Tage zuvor war das Wetter sehr unbeständig und unser Lichttechniker hat die trockene Nacht genutzt, um die letzten Lichteinstellungen zu programmieren und an den Stimmungen zu feilen. Einer AMA (Alle mit Allem) Generalprobe stand also nichts mehr im Weg und das ganze Team brannte auf die Premiere, da wir alle wussten, dass wir ein richtig gutes Stück auf unser Publikum loslassen konnten, als uns gegen Mittag ein Anruf ereilte. So weit nichts Besonderes, da zu dieser Zeit das Telefon ohnehin sehr oft bimmelte.

Am anderen Ende der Leitung meldete sich ein Herr der wissen wollte, was wir da eigentlich genau machen. Zugegeben, eine vielleicht etwas eigentümliche Fragestellung, jedoch nicht wirklich ungewöhnlich. Nach ausführlicher Auskunft unseres operativen Leiters gab sich der Herr auf der anderen Seite der Strippe als Mitarbeiter des Bühnenverlags Felix-Bloch-Erben zu erkennen und unterrichtete Robert, dass die Exklusivrechte für die Operette „Im weissen Rößl am Wolfgansee“ 2011 an die Lehár Festspiele Bad Ischl vergeben wurden und forderte von uns die schriftliche Zusicherung, dass wir nicht eine einzige Zeile bzw. eine Melodie aus dem Libretto verwenden würden.

So. Jetzt muss man mal festhalten, dass wir Stücke und Stoffe gerne „aus der Fassung“ bringen. Und weil „aus-der-Fassung-bringen“ ja so eine Sache ist und man eigentlich jedes geänderte Wort mit dem Verlag absprechen müsste, greifen wir gerne auf Stücke zurück, die „frei“ sind. „Frei“ bedeutet, dass 70 Jahre nach Ableben des Autors das Copyright erlischt, man zum einen keine Tantiemen mehr zahlen muss und zum anderen Stücke nach allen Regeln der Kunst bearbeiten darf. Am Rande sei bemerkt, dass unser Autor immer mit höchstem Respekt an das Bearbeiten von Stoffen herangeht…

Aber noch einen Schritt zurück: Als Norbert Holoubek, Robert Saringer und meine Wenigkeit uns im Spätsommer 2010 den Kopf darüber zerbrachen, mit welchem Stück wir Klagenfurt des Sommers wieder so richtig rocken können, stand lange Zeit Oscar Wilde‘s Meisterwerk „Bunbury“ auf unserer Liste ganz weit oben. Wie wir letztendlich zum „Rössl“ gekommen sind, weiss ich nicht mehr. Fest stand nur, dass wir das Lustspiel „Im weissen Rößl“ (das auch gar nicht am Wolfgangsee spielt) von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg als Vorlage nehmen, es auf die wichtigsten Rahmenhandlungen kürzen und mit „Bunbury“ vereinen wollten. So verfasste Norbert für uns eine komplett neue Komödie, die im wesentlichen auf diesen beiden Stücken beruht. Angenehm für uns, da für diese beiden Meisterwerke auch keine Tantiemen mehr anfallen. Also war der Plan, unsere Produktion mit dem eindeutigen Titel „Im weißen Rössl am Wörthersee – keine Operette, doch völlig aus der Fassung!“ mit ein paar Nummern wie zum Beispiel „Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein“ mitsamt einer Schuhplattler-Choreographie zu garnieren. Für dieses Lied fallen dann AKM Gebühren an, die wir selbstverständlich jährlich zahlen.

Dass der Anruf vom Verlag am Vortag der Premiere eine Hiobsbotschaft ist, kann man vermutlich leicht nachvollziehen – schliesslich wurden Lieder aus der Operette über Wochen geprobt, teilweise  choreographiert und mussten ganz raus oder ersetzt werden –  und zwar schleunigst! Die Lieder waren jedoch auch das einzige Problem, da wir das Libretto nie auch nur aus der Ferne beäugt hatten.

An jenem besagtem Tag rückte unser Ensemble enger zusammen als es irgendein Teambuilding-Guru je zusammengebracht hätte: Daniel Ogris ging das gesamte Libretto durch, um nach möglichen „Plagiaten“ zu suchen (an dieser Stelle noch mal herzlichen Dank für die Unterstützung an Gudrun Nikodem-Eichenhardt von den „Kernölamazonen“), alle anderen suchten nach passenden Liedern, mit denen man die Operettensongs ersetzen konnte, um zumindest die Choreographien zu retten. Es wurde getextet, verworfen, gesungen, getanzt und probiert. Es war ein toller Tag, an dem alle ruhig geblieben sind, sich einer gemeinsamen Sache angenommen und gemeinsam an einem Strang gezogen haben.

Ich denke, dass uns dieser Stress gut getan hat. Zum einen sah man, dass wir ein Team haben, das tadellos funktioniert, in dem jeder bereit ist, kurzfristig Änderungen vorzunehmen und das für einander da ist. Zum anderen hat unser „Rössl“ sehr gewonnen, da nicht eine einzige bekannte Operettenmelodie in unserer Produktion zu hören war. Die Musikarrangements wurden dadurch unvorhersehbar, wesentlich origineller und witziger.

Ob wir vorschnell gehandelt haben, indem wir die originalen „Rößl“- Lieder rausgenommen haben oder ob wir eh auf der rechtlich sicheren Seite waren, will ich an dieser Stelle nicht kommentieren. Zu diesem Zeitpunkt war unsere Homepage samt Stückbeschreibung seit Monaten online sowie tausende Flyer im Umlauf. Wenn man weiss, wie Verlage arbeiten und zurecht akribisch darauf achten, dass kein Copyright verletzt wird, wundert es mich, dass sich der Verlag nicht schon früher bei uns gemeldet hat. Ob es also Kalkül war, uns so dermassen kurzfristig zu kontaktieren und ob uns jemals jemand kontrolliert hat, weiss ich nicht. Was ich allerdings weiss ist, dass trotz der Exklusivrechte für Bad Ischl mehr als eine öffentliche „Rößl“-Operettenproduktionen 2011 in Österreich produziert wurde.

Rückblickend freut es mich, weil es ein sehr schöner und konstruktiver Tag war, wir eine aufregende Generalprobe und eine supertolle Premiere hatten.

Schön war es – trotzdem: Nochmal brauchen wir so etwas nicht! 😉

Was aus der geprobten Choreographie letztendlich geworden ist, seht ihr hier:

Alles Liebe & bis bald,

Wilhelm Prainsack

3 Kommentare

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3 Antworten zu “„Spiel mir das Lied vom Rössl“ Die unglaubliche Premierengeschichte des THEATER SOMMER KLAGENFURT 2011

  1. Es war ein wunderbares Spektakel! Die Premiere war als wär es nie anders gewesen. Und ich freu mich sehr, dass ich helfen konnte. Es ist schön zu sehen, mit wieviel Liebe und Detailverliebtheit ihr an die Sachen rangeht und ich freu mich schon sehr auf den heurigen Sommer. Da bin ich natürlich wieder mit dabei und erfreue mich an den ehrlichen, lustigen und schönen Momenten. Toi, toi, toi und viel Erfolg!

  2. Brigitte Zika-Holoubek

    Ihr seid wirklich ein tolles Team ! Mir flutscht schon bei dem Gedanken an so ein Telefonat einen Tag vor Generalprobe der Blutdruck in angstauslösende Höhen ! Da steigt meine Achtung vor der Leistung, die ihr geboten habt ! Großartig ! Möge euch für heuer so ein „Glücksbringer“ erspart bleiben ! Viel Spaß bei den Proben und dann hurra in die Vorstellungen! Ich freu mich schon sehr !!!!! 😉

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